Jürgen kannte ich erst "nur" als meinen Kollegen im Tourismus. 1997 hatten wir sogar die Gelegenheit, am "Europäischen Seminar für Fremdenverkehr" in Dublin teilzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch absolut nichts von einer Tour der Hoffnung.
Diese - bzw. die VOR-TOUR der Hoffnung - rückte erst sehr viel später in mein Blickfeld, als Jürgen mich 2009 einlud mit dabei zu sein, wenn die Tour der Hoffnung durch den Westerwald rollt - für mich Spannung, Aufregung, Motivation von Anfang an 👍🚲.
Lieber Jürgen, du bist 1996 mit deinem Freund Gregor zu einer Rennradtour von Bad Neuenahr nach Gießen zur Tour der Hoffnung gestartet. Und hattest einen Spendenscheck für die Tour der Hoffnung mit in der Rückentasche deines Trikots.
Was hat dich dazu bewegt, diese Initiative zu starten?
Die Tour der Hoffnung kam 1994, als ich noch Verkehrsdirektor in Bad Neuenahr-Ahrweiler war, in unsere Region. Ich organisierte nicht nur mit Martina, die Du ja auch noch kennst, den Stopp für die Tour der Hoffnung bei uns, ich war auch mit im Fahrerfeld.
Hierdurch und durch den Kontakt mit Gerhard Becker und Volker Klein, welche die Tour der Hoffnung seinerzeit organisiert haben, hatte ich mehrfach Gelegenheit, Kinderkrebskliniken in Marburg, Gießen und Frankfurt mit all ihrer Problematiken kennenzulernen. Ich wollte lange nicht akzeptieren, dass in unserem sozialen Rechtsstaat die Kliniken auf Gelder von Dritten (Spenden) angewiesen sind, um lebensnotwendige Geräte, wichtige Einrichtungen, soialverträgliche Eltern-Kinder-Stätten anzuschaffen bzw. zu bauen. Seit dieser Zeit war mir bewusst, wie wichtig das Engagement der Tour der Hoffnung ist.
Für die Tour der Hoffnung 1996 sammelte ich 2.250 € an Spenden und fuhr, den Spendenscheck mit im Gepäck, mit meinem Freund Gregor und mit dem Rennrad von Bad Neuenahr nach Gießen zum Prolog der 14. Tour der Hoffnung.
Hast du in 1996 im Geringsten erwartet, was hier im Entstehen war?
Eine VOR-TOUR der Hoffnung! Nun im 26. Jahr!
Mitnichten, dass daraus eine so große und erfolgreiche Geschichte werden würde, war nun wirklich nicht vorhersehbar. Für mich persönlich war die Initialzündung, dass ich ja in 1994 zum ersten Mal an der Tour der Hoffnung teilnehmen konnte: sich sportlich auf dem Rennrad für kranke Kinder engagieren, so viele Gleichgesinnte aus unterschiedlichen sozialen Schichten kennen - und schätzen zu lernen, das tolle Gefühl zu erleben, Teil einer großen Familie zu sein und auf „Du und Du“ mit erfolgreichen Sportlern und Idolen deiner Jugend gemeinsam Gutes zu tun. Das war grandios!
Das hier erlebte, das spürte ich, zog mich in seinen Bann und ließ mich nicht mehr los.
Es steckt sehr viel Engagement, Zeit und Einsatz in der VOR-TOUR der Hoffnung. Was motiviert dich und zeigt dir, dass dieses Engagement gut und wichtig ist?
Jeder Einzelne von uns hat die Möglichkeit sich einzubringen, Gutes zu tun. Kann sich sozial engagieren um benachteiligten Menschen zu helfen. Wenn man dann noch wie ich dies mit seinem Hobby, dem Rennrad fahren verbinden kann, umso schöner.
Mein Gott, was ist das für Geschenk, wenn gesunde Kinder zur Welt kommen. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl.
Doch wie groß ist dann die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit, wenn die Ärzte die Diagnose Krebs/Leukämie stellen müssen, die den Eltern den Boden unter den Füßen wegreißt.
Dies so oft Erlebte in den ersten Jahren hat mich geprägt, mich berührt und in mir etwas ausgelöst: Wenn ich gesund und fit bleibe, dann sollte dies „mein Ding“ sein, mein ehrenamtliches Engagement.
Motivation war und ist die Tatsache, dass Jahr für Jahr alle Spendengelder zu 100 Prozent weitergeleitet wurden. Motivation waren und sind die Gespräche mit Ärzten und den Betroffenen, die einem das Gefühl vermitteln Gutes und Sinnvolles zu tun.
Im Rückblick auf die letzten 26 Jahre – was sind für dich DIE Momente, die dir bis heute Gänsehaut bereiten?
Oh je, das sind sooo viele. Es ist schwierig, hier ein (das) besondere Erlebnis herauszustellen. Gerührt bin ich allerdings immer aufs Neue von den vielfältigen Aktionen und Aktivitäten von Kita- und Grundschulkindern die frei nach dem Motto "Gesunde Kinder helfen kranken Kindern" unglaubliche Ideen umsetzen.
Bis hin zu einer Begebenheit mit einem süßen 8-jährigen Mädchen. Sie kommt auf die Bühne, öffnet ihre beiden kleinen Hände und sagt: „Ich habe mein Sparschein geplündert, das möchte ich für die kranken Kinder geben“. Es waren 4,93 Euro!
Mit der VOR-TOUR-Familie plantest du in 2020 eine ganz besondere 25. VOR-TOUR. Diese musste leider aufgrund der Pandemie abgesagt werden. Dennoch wurden in diesem schwierigen Jahr 2020, in die Menschen sich mit ganz anderen Themen und Herausforderungen befassen mussten, 334.000 € (!) gesammelt und an 33 Institutionen, welche von Spenden i.d.R. abhängig sind, ausgeschüttet. Wie konnte ein solch tolles Spendenergebnis trotz Absage der VOR-TOUR der Hoffnung erreicht werden?
Seit ungefähr 10-12 Jahren haben wir es gemeinsam geschafft, in vielen Regionen von Rheinland-Pfalz „Kümmerer-Gruppen“ zu installieren. Diese engagierten und überaus motivierten Mitstreiter sorgen neben der 3-tägigen VOR-TOUR im August dafür, dass unser Anliegen das ganze Jahr über im Bewußtsein der Bevölkerung verankert bleibt. Die Arbeit der Kümmerer kann man gar nicht hoch genug bewerten. Sie demonstrieren mit unzähligen „Events“ vor Ort, dass unser gemeinsames Engagement ein zwölfmonatiger Einsatz ist.
Das hat dazu geführt, daß wir in der Bevölkerung als seriös, erfolgreich und nachhaltig gesehen werden. Man schätzt unsere Arbeit, wir werden positiv im Lande als Spendensammler wahrgenommen. Dies führte auch dazu, dass wir uns eine starke Akzeptanz in den Bereichen Sport, Politik, Wirtschaft, Medizin und Showbusiness erarbeitet haben. Die Teilnahme von sehr vielen bekannten Persönlichkeiten Jahr für Jahr ist der beste Beweis. Ob Ministerpräsidentin, Olympiasiegerin oder TV-Größe - alle treten mit uns gemeinsam kräftig für die gute Sache in die Pedale.
Die langjährigen Sponsoren haben uns, trotz der Corona-Lage, die Treue gehalten und uns in vielerlei Hinsicht unterstützt und unsere Arbeit weiterhin wertgeschätzt. Beeindruckend auch hier die Unterstützung mit beachtlichen Spenden.
Ein weiterer Aspekt in Bezug auf die großen Jahresendsummen ist die Tatsache, dass sich ebenfalls vor ungefähr zehn Jahren eine neue Tendenz abzeichnete. Keiner der Teilnehmer kam mehr mit leeren Händen zur VOR-TOUR. Jeder hatte in seinem Bereich sein Netzwerk genutzt, um Ideen umzusetzen, zu sammeln, zu überzeugen.
Die VOR-TOUR der Hoffnung ist die Spendenaktion in/um Rheinland-Pfalz jeweils drei Tage VOR der der Tour der Hoffnung, die bundesweit rollt. Nun wurde die Tour der Hoffnung, welche i.d.R. im August eines Jahres stattfindet, für 2021 in den September verlegt. Gibt es schon Überlegungen, ob und wie denn die VOR-TOUR der Hoffnung in 2021 stattfinden kann?
Die Entwicklung der Pandemie lässt per heute keine verlässlichen Aussagen zu, ob die „25. VOR-TOUR der Hoffnung im 26. Jahr“ stattfinden wird. Ich persönlich sehe uns im August nicht auf dem Rennrad sitzen. Spätestens Anfang April müssten wir für die weiteren Planungen Gewissheit haben, dass die VOR-TOUR stattfinden kann. Vier Monate Vorlauf ist dann schon knapp bemessen um die organisatorischen Abläufe mit den Stopp-Orten zu stemmen.
Möglicherweise läuft es wie in 2020 darauf hinaus, dass wir mit vielen kleine Veranstaltungen in den „Kümmerer-Regionen" versuchen, die Menschen weiterhin davon zu überzeugen wie wichtig die Unterstützung für krebskranke und hilfsbedürftige Kinder auch in 2021 ist.
Ich bin sehr froh, als Kümmererin mit Euch - du nennst uns alle immer liebevoll einen "radsportverrückten Haufen" - dabei sein zu können und erleben zu dürfen, was die VOR-TOUR der Hoffnung ist, was sie bewegt, wie sie unterstützt und was für tolle Menschen sich Jahr für Jahr hier auf den Weg machen, um solche Spendenergebnisse "einzufahren", um helfen zu können!
Vielen lieben Dank, Jürgen, für unseren gemeinsamen Talk und deine Zeit!
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Gisbert (Sonntag, 07 März 2021 16:11)
Soooo schön zu lesen uns so eine Gänsehaut ....Ich bin sehr glücklich , auch einen kleinen Beitrag dazu leisten bzu dürfen....Ihr seid alle großartig....