Tiefe Schluchten.
Alte Lorbeerwälder, die wie ein Märchenwald anmuten.
El Silbo - Pfiffe, die eine Sprache darstellen.
Letzer Anlaufhafen, bevor Kolumbus Amerika entdeckte.
Spektakuläre Formen der vulkanischen Vergangenheit.
Traumhafte Sonnenuntergänge.
.........
Es gibt so viele Gründe, diese wunderschöne Insel inmitten des Atlantik vor der Küste Afrikas zu besuchen. Sie ist die zweitkleinste und steht für viele im Wettstreit mit La Palma die schönste Insel der Kanaren zu sein.
Ich kann dies für mich nicht entscheiden - beide Inseln haben mich fasziniert, jede auf ihre Weise.
Anfang der 90er hörte ich von dem Flughafenprojekt auf der Insel, welcher gebaut werden sollte, damit auch größere Flugzeuge hier landen können. Zu dieser Zeit bewegten uns auch schon Konzepte zum sogenannten "Sanften Tourismus". Auf meiner Bücherliste standen Titel wie "Die Landschaftsfresser" und "Die Ferienmenschen" von Jost Krippendorf. Und ein solcher Bau hat diesem Ansatz des nachhaltigen Tourismus nicht unbedingt entsprochen. Hierüber wurde ich somit neugierig auf diese Insel, von der ich vorher noch nichts gehört hatte und ich wollte sie unbedingt irgendwann einmal kennenlernen.
Und. Endlich. Viele Jahre später:
Meine Anreise führt über Teneriffa. Vom Airport bis zum Hafen sind es nur wenige Kilometer. Es vergehen allerdings einige Stunden, bis unsere Fähre einläuft und wir uns auf den ca einstündigen Weg über das Wasser in Richtung Sant Sebastián de La Gomera machen können.
Zeit, schon mal mit den anderen wartenden La-Gomera-Gästen ins Gespräch zu kommen und erste Bekanntschaften zu machen. Für fast alle ist das Valle Gran Rey das Ziel - das Tal des großen Königs im Westen der Insel La Gomera.
Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein und genieße die Überfahrt. Zwischenzeitlich ist es früher Nachmittag, als wir in Sant Sebastián einlaufen.
Im Hafen von Sant Sebastián angekommen, geht es für uns direkt weiter einmal quer über die Insel ins Valle Gran Rey.
Dabei muss die Inselhauptstadt Sant Sebastián absolut einen Besuch wert sein. Es heißt, hier pulsiert das Leben mit den Plazas, Cafés und Bars. Auch die meisten kulturellen Sehenswürdigkeiten findet man hier, wie z.B. das Archäologische Museum oder die Iglesia de la Asunción, in der Kolumbus gebetet haben soll, bevor er 1492 weiter über den Atlantik gesegelt ist und Amerika entdeckte.
Nach vielen Kurven und einigen Höhenmetern bin ich schließlich im Tal des großen Königs im Hotel, welches den Namen dieses Tales "Gran Rey" trägt, angekommen.
Erst mal die Umgebung sichten, sich ein Bild vor Ort machen. Einige Tipps von Bars und Cafes im Ort, die ich unbedingt besuchen sollte, wurden mir von Freunden mitgegeben. Nun ja - es ist Juni, absolute Nebensaison auf der Insel. Viele der Lokale und Restaurants haben geschlossen.
Beim Abendessen im Hotel treffe ich Heidrun und Thomas wieder, die mit mir auf Teneriffa auf die Fähre gewartet haben. Es ist mein erster und einziger Abend auf La Gomera, an dem ich das Abendessen alleine am Tisch einnehmen werde: Bereits am Tag darauf sind wir zu Dritt, schließlich gesellen sich Ursula, Günter, Heiko und.......dazu. Unsere Gastgeber wissen ab sofort Bescheid und helfen uns, Tische zusammenzustellen und Platz zu schaffen für die (unternehmens)lustige, gutgelaunte Truppe, die sich hier Abends immer zu zehnt zusammenfindet und sich zu dem am Tag Erlebten austauscht.
Beim Frühstück dagegen bin ich immer die erste, drücke mir schon die Nase an der Restaurant-Tür platt, bevor aufgeschlossen wird. Ich genieße diese Ruhe auf der Dachterrasse, den Ausblick, die frische Kühle, das Rauschen des Meeres bei meiner ersten Tasse Kaffee. GEHAICHNIS.
Schon zu Hause habe ich mir einige Wandertouren rausgesucht, die ich unbedingt unternehmen will. Ich habe mich an Josef von Timah gewandt und schon die ersten Touren direkt fest gemacht, so dass es für mich nach Ankommen und Luft holen direkt los geht mit der Inselerkundung!
Fast 1/3 der Insel ist mit Wald bedeckt. Ein großer Teil des Bestandes des Lorbeer- und Zedernwaldes macht den Nationalpark Garanojay aus, welcher bereits 1986 von der UNESCO in die Liste der Naturgüter des Welterbes aufgenommen wurde.
Nebelschwaden wabbern durch die mit Flechten behangenen Bäume. Das Licht findet nur schwer seinen Weg durch dieses Geflecht bis auf den Waldboden. Ich komme mir vor wie bei Hänsel und Gretel oder wie auf einem anderen Planeten. Es wirkt geheimnisvoll, jahrtausendealt und man erwartet, dass einem ein Edmontosaurus oder ein Klingone nach der nächsten Wegbiegung gegenübersteht.
Viele meiner Wandertouren starten oder enden im Nationalpark und seinem Märchenwald. Ich lerne sehr viel von den Heil- und Kulturpflanzen La Gomeras, bin auch einen Nachmittag mit der "Kräuterhexe" hier unterwegs. Leider kann ich dieses Wissen nicht langfristig abspeichern. Heute ist es nur noch rudimentär vorhanden, vieles muss ich nachschlagen, wenn mir Kräuter und Pflanzen auf meinen Wegen begegnen.
Ich finde dieses viele Wissen meiner Guides zur Flora der Insel bewundernswert. Durch die verschiedenen Vegetationszonen auf La Gomera entdecke ich hier neben den im Norden vorhandenen dichten Lorbeerwäldern und immergrünen Farnen im Süden Wacholder, Dattelpalmen, Strandflieder und Agaven.
Zum Abschluß der Kräuterhexen-Wanderung kehren wir bei Efigenia ein. Bei ihr kosten wir einheimische Speisen, liebevoll zubereitet. Dazu gehören natürlich als Vorspeise/Brotaufstrich Almogrote (Ziegenkäse gemischt mit Öl, Paprika und Knoblauch), Puchero canario (kräftiger Eintopf mit verschiedenen Gemüsen und Sorten Fleisch), Mojo rojo (die leckere rote Würzsauce aus Knoblauch, Paprika, Olivenöl und Essig, welche zu den berühmten kanarischen Schrumpelkartoffeln serviert wird) und Gofio, die mehlähnliche Substanz aus Wasser, Zwiebeln und Kräutern, die man - zu kleinen Kügelchen gerollt - z.B. zum Wein ißt. Und zum Abschluss darf natürlich der cortado, ein Espresso mit viel süßer Kondensmilch, nicht fehlen.
Efigenia und ihr Mann Manuel haben bereits in den 60er Jahren dieses Restaurant gegründet und durch ihre Idee die typische kanarische Küche sowie diesen kleinen, stillen Winkel in Las Hayas erhalten können.
Wenn ich am späten Nachmittag von meinen Wanderungen zurück bin, liebe ich es, noch zur Playa del Inglés zu schlendern, auf's Meer zu schauen, die Formationen der Wellen zu bewundern, den Wind zu spüren.....
An einem Nachmittag folge ich den Tönen einer Djembe, die der Wind zu mir trägt. Ich selbst versuche mich ab und an darin, eine Djembe zu spielen und bin neugierig, wer wohl hier am Strand die Trommelklänge verursacht.
Auch das ist typisch für La Gomera: Besonders im Winter treffen sich hier Trommler und Feuerkünstler zum Sonnenuntergang und veranstalten ganz spontan gemeinschaftliche Strandevents.
Immer wieder zerstören Brände Landschaften, Dörfer, bringen Menschen in Not. Eine solche Feuerwalze hatte sich auch auf La Gomera 10 Monate vor meinem Besuch auf der Insel ins Valle Gran Rey reingefressen und hat 19% des Nationalparks zerstört. Im oberen Teil des Tales wurden 44 Häuser komplett vernichtet, weitere 70 beschädigt oder angebrannt, 3.000 Menschen wurden evakuiert. Nur 12 Minuten hat das Feuer gebraucht von ganz oben den Hang hinunter ins Tal.
Es war das drittgrößte Feuer, welches hier Tage auf der Insel wütete und hat einen Gesamtschaden von 70 Mio € verursacht. Und das Übelste daran: es handelte sich um Brandstiftung!
Noch immer sehe ich verkohlte Bäume. Die Natur aber ist unglaublich: aus diesen verkohlten Bäumen sprießt sattes Grün!
Es trifft sich immer wieder gut: ohne Frage sind Heidrun, Thomas, Ursula, Günter und ich nun jeden Tag auf Wandertour gemeinsam unterwegs und treffen Abends die anderen, tauschen Tipps aus.
Für uns geht es in den kommenden zwei Tagen rund um das Tal und hinauf auf den höchsten Berg der Insel, den Alto de Garajonay, der mit einer Höhe von 1.487 Metern über dem Nationalpark thront. Das Wetter ist durchwachsen, oft recht frisch. Bei gutem Wetter kann man El Hierro und La Palma sehen.
Bei strömendem Regen starten wir unsere nächste Tour am Roque de Agando, einem Vulkanschlot in ca 1.200 m Höhe. Durch den Barranco de Benchijigua führt uns der Weg hinab Richtung Süden zur Playa de Santiago. Je weiter wir nach Süden kommen, desto weniger regnet und desto wärmer wird es. Endlich können wir "zippen" und Luft und Sonne an unsere Beine lassen.
In dieser Gegend ist einst einer der ersten Orte auf der Insel gegründet worden.
Auch der Nordwesten hat es uns angetan!
Spektakuläre Ausblicke über die Küste, überall Zeugnisse der vulkanischen Entstehungsgeschichte dieser Insel. Der Grundstock dieser Insel soll mindestens 20 Millionen Jahre alt sein. Urgewalten. Faszinierend.
Wir wandern die Küste La Gomeras entlang, bis wir zu einer kleinen Kapelle gelangen. Hier an der Ermita San Isidro machen wir eine kleine Rast, bevor wir uns auf den Abstieg nach Vallehermoso machen.
Vallehermoso ist die zweitgrößte Gemeinde auf der Insel. Das Umland ist sehr fruchtbar, so dass Landwirtschaft hier vorherrscht.
Inmitten des Ortes gibt es viele Apartmenthäuser und Pensionen. Bevor wir uns abholen und wieder ins Valle Gran Rey fahren lassen, haben wir uns als Belohnung für diese anspruchsvollere Tour ein gutes Glas aus der hiesigen Weinregion rund um Vallehermoso verdient.
Ob ich's schaffe, einmal rund um die ganze Insel?
Heute starten wir im Nordosten, in Hermigua. Sehr früh geht es los, die Anfahrt mit dem Bus bis nach Hermigua dauert durch die vielen Kurven, Höhenmeter ewig. Josef fährt uns und erzählt, wie er Timah gegründet hat und dass er immer mal wieder einen Stand auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin hat. Da werde ich doch mal vorbeischauen, wenn er wieder hier ausstellt und fragen, was sich Neues getan hat.
Hermigua liegt im fruchtbarsten Tal der Insel. Hier gibt es kaum Tourismus. Aufgrund des Wasserreichtums in dieser Gegend werden v.a. Kartoffeln, Bananen, Trauben, Getreide etc. angebaut.
Das Wahrzeichen Hermiguas ist der Zwillingsfelsen Roques de San Pedro, ein alter Vulkanschlot.
Über den Bergrücken des Los Montes wandern wir Richtung Nordküste und kommen an alten Häusern und Terrassen vorbei.
Unser Ziel ist die Playa de La Caleta, eine wunderschöne Bucht im Atlantik.
Nicht alles unternehmen wir in diesen zehn Tagen per Pedes. Einen Tag machen wir uns mit motorisierter Unterstützung auf den Weg rund um die Insel.
Wir starten in Valle Gran Rey und machen den ersten Stopp am Mirador El Palmarejo. Dieser Aussichtspunkt wurde vom Kanarenkünstler César Manrique entworfen. Der Mirador ist - wie alle Werke von Manrique - kunstvoll in die Landschaft integriert und liegt oberhalb von Arure.
Von hier hat man auch einen tollen Blick auf die Ermita de San Antonio im oberen Tal des Gran Rey in dieser engen Straßenkurve.
Dem Wasser der heiligen Quellen von Epina wird magische Qualität zugesprochen. Man sagt, dass das Wasser Krankheiten heilt. Und wenn eine Frau von links nach rechts aus allen dieser sechs Quellen Wasser trinkt, wird ihre Liebe in Erfüllung gehen.
Tatsache ist, dass diese Quellen mit der kleinen Kapelle nahe bei der Straße nach Vallehermoso ein beliebtes Ausflugsziel für die Gomeros ist.
Weiter führt uns der Weg nach Agulo im Nordosten der Insel. Auf dem Weg liegt das Centro de Visitantes de Juego de Bolas, das Besucherzentrum des Nationalparks. Hier wird im Hauptgebäude über den Nationalpark mit seinen Klimazonen, der Flora und Fauna informiert. In einem weiteren Gebäuden befindet sich das Ethnografische Museum mit allen Informationen zur Siedelungsgeschichte und auch zur Pfeifsprache El Silbo.
Beim Bäcker im Untergeschoss decken wir uns für die Weiterfahrt nach Agulo mit leckeren Keksen und Kuchen ein.
Agulo ist die kleinste Gemeinde auf La Gomera und liegt malerisch in einem Felskessel. Der Ort besticht durch seine Ursprünglichkeit, die Ziegeldächer über den weiß- und ockerfarbenen Hauswändern entlang der engen, gepflasterten Gassen. Hier gibt es noch die alten Herrenhäuser, die früher den Großgrundbesitzern gehörten und den Bananenanbau hier einführten.
Und abends, wenn wir nach tollen Wanderungen und Ausflügen wieder ins Valle Gran Rey kommen, treffen wir uns alle, um gemeinsam die Sonnenuntergänge am Strand zu genießen.
Danach lassen wir den Tag entweder in der Casa Maria oder in der Cacatua Bar in Vueltas ausklingen und planen den folgenden Tag. Livemusik, entspannte Atmosphäre nach ereignisreichen Tagen, in netter Gesellschaft, mit Blick auf's Meer - was will man mehr?
Und dann ist er da. Mein letzter Tag auf der Insel!
Aber eines steht noch auf meiner to-do-Liste: Die Wanderung zum Wasserfall bei El Guro im oberen Teil des Tales.
Und auch heute ist auf "meine" Truppe Verlass! Ich muss diese Tour durch Bachläufe und über Felsen nicht alleine machen.
Wir folgen im Künstlerviertel El Guro den Hinweisen und kommen schließlich auf den Wanderweg "Salto de Agua" und weiter vorbei an Felsen und Palmen.
Schließlich am Wasserfall angekommen, legen wir eine Pause ein. Hier geht's nicht weiter. Wir müssen auf dem gleichen Weg wieder zurück nach El Guro und weiter ins Tal nach La Puntilla.
Mein letzter Abend.
Ich schlendere zur Playa de Vueltas, blicke zurück, sage Tschüss.
Heute Abend müssen unsere Gastgeber in unserem Hotel die Tische nicht für uns zusammenstellen. "Meine" Truppe will meinen Abschied mit mir in La Playa "feiern", zum Essen ausgehen. Sie bleiben noch ein paar Tage, ich muss am nächsten Tag wieder früh raus, um die Fähre nach Teneriffa erreichen zu können - was uns aber nicht davon abhält, noch in der Casa Maria bis zum Ende zusammenzusitzen und die gemeinsamen Unternehmungen zu reflektieren. Es war einfach nur eine richtig tolle Zeit! Gracias!
Ach ja: Der Flughafen wurde, nachdem Barrancos aufgeschüttet und Hänge eingeebnet wurden, schließlich 1999 auf La Gomera eröffnet. Er verbindet vornehmlich die Insel mit der Nachbarinsel Teneriffa. International hat er keine Bedeutung, denn die Start- und Landebahn ist zu kurz.
Ich genieße die An-/Abreise mit dem Zwischenstopp auf Teneriffa schießlich mit der Fähre.
Obwohl ich bei der Rückreise fast 12 Stunden auf meinen Flug zurück nach Deutschland am Flughafen auf Teneriffa warten musste. So kann ich jedoch noch länger die Sonne genießen, den Gedanken nachhängen und weitere nette Leute kennenlernen, die mit mir das gleiche Schicksal teilen. Wir machen das Beste draus: quatschen, essen, shoppen ....
Bin zwar mit Verspätung, aber gesund und voller toller Eindrücke und Begegnungen wieder im Hunsrück angekommen.
Der Weg ist das Ziel.
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