Der Weg ist das Ziel.
Auf dem Weg liegt das Tannheimer Tal.
Und passend der Termin des 8. Radmarathons Tannheimer Tal.
Also: Urlaub verlängern, zum Radmarathon anmelden, dabei sein!
Die Routenplanung zeigt's deutlich: Nach meiner dritten Teilnahme am Mondsee-Radmarathon im Salzkammergut und den nachfolgenden "Entschleunigungs"-Tagen in Südtirol liegt das Tannheimer Tal klar an meiner Strecke auf dem Rückweg in den Hunsrück.
Über den Fernpass, an Reutte vorbei, unter der mit 406 Metern längsten Fußgängerhängeseilbrücke der Welt hindurch schlängele ich mich schließlich vom Lechtal den Gaichtpass hinauf ins 1.100 m hoch liegende Tannheimer Tal.
Aus den Berichten der Casa Ciclista-Team-Kollegen/innen weiß ich, dass ein Pass Bestandteil der 85-km-Strecke am Sonntag sein wird (die 230-km-Strecke umfasst mehr Pässe 😉). Die Frage stellt sich mir bei jeder Kurve, jedem Höhenmeter, den ich hier mit dem Auto zurücklege, ob es sich wohl um diesen ca drei km langen Gaichtpass handelt, den ich dann im Rahmen des Radmarathons mit dem Rad fahren werde.
Im Hochtal angekommen, am Haldensee vorbei gelange ich nach Tannheim und beziehe meine nun dritte Unterkunft während dieser Alpen-Rund-Reise. Und ich sage es direkt: Auch hier im Berger Hof fühle ich mich angekommen, gut aufgehoben und sehr wohl.
Erst mal etwas die Gegend zu Fuß erkunden, sich in/um Tannheim orientieren und den Abend mit Blick auf farbenfrohen Abendhimmel und Berge im Sonnenuntergang genießen.
Und ich freue mich besonders darauf, dass einige Team-Mitglieder von Casa Ciclista im Tal sind und am Sonntag auf die Strecke gehen und dass ich die kommenden Tage mit Hans-Peter und Ulrike werde verbringen können!
Wir kennen uns durch die VOR-TOUR der Hoffnung. Und nicht nur für die krebs- und hilfsbedürftigen Kinder ist Hans-Peter Mut machend unterwegs.
Er setzt Zeichen!
Indem er trotz/wegen seiner Einschränkung - Hans-Peter hatte 1994 einen Verkehrsunfall und hat seit dem körperliche Einschränkungen als auch Einschränkungen in Konzentration und Reaktionsvermögen - Ausdauersport mit einem Tricycle betreibt und auch optimistisch der Nominierung zu den Paralympics 2016 in Rio entgegensieht.
Hans-Peter war gerade zur Leistungsdiagnostik in Freiburg und nutzt die paar Tage im Tannheimer Tal, um Ulrike und mir gute Tipps zu geben für unseren ersten Start zum Radmarathon Tannheimer Tal am Sonntag und uns bei der ein oder anderen Strecke zu begleiten.
Dass Hans-Peter mit einem Tricycle unterwegs ist, scheint für Viele ein ungewohntes Bild zu sein. Die Menschen bleiben stehen, schauen ihm nach. Und er nutzt diese Gelegenheiten durchaus, um ins Gespräch zu kommen und auch um über Informieren, Austauschen ein Stück Inklusion in den Alltag zu bringen.
Ich jedenfalls lerne sehr viel von ihm, erfahre durch Hans-Peter und Ulrike viel über den Sport mit Handicap, die Wettkämpfe, die verschiedensten Formen der Einschränkung, vornehmlich lustige und Mut machende Begegebenheiten im Rahmen der Wettkämpfe und Aktionen .....
Und verfolge mit Freude sein Blog und seine Posts und drücke ihm absolut die Daumen, dass es mit Rio klappt und ich im September mitfiebern kann, wenn es für ihn - hoffentlich - in Brasilien auf die Strecke geht!
Während Hans-Peter seine Trainingsrunden absolviert nutzen Ulrike und ich die Ideen und Vorschläge des Radbooklets mit den schönsten Rennradtouren rund ums Tannheimer Tal und machen uns auf den Weg - wobei: Ulrike und Hans-Peter kennen diese Region wie ihre eigene Westentasche.
Die Karten des Radbooklets haben wir trotzdem mal mit in unseren Rückentaschen.
Die Engetalrunde führt uns knapp 60 km ab Tannheim über Unterjoch, Nesselwang, Pfronten durch das Engetal zum Haldensee und zurück nach Tannheim.
Und bei unserer Ankunft in Tannheim treffen wir Marcel Wüst, der gerade von seiner Ausfahrt mit den Teilnehmern der Rennrad-Woche im Tal zurückkommt.
Wir haben nur einen kurzen Wiedersehens-Fotostopp mit ihm - denn schließlich trifft sich das Casa Ciclista-Team am nächsten Tag zum Grillen bei Marcel. Das Kölsch hat er für uns schon kalt gestellt 😊.
Die zweite Runde führt uns auf die Spuren der 85-km-Runde für kommenden Sonntag, so dass wir uns schon mal ein Bild vom größten Teil der Strecke machen können.
Dieses Mal fahren wir das Engetal von Grän in Richtung Steinach und es macht riesig Spaß, es rollen zu lassen. Von Pfronten bis Weissenbach geht's kaum auf und ab, aber ab Weissenbach führt der Weg den Gaichtpass hinauf. Es sind nur ca drei Kilometer mit einer durchschnittlichen Steigung von 3,8%.
Oben am Pass angekommen denke ich, dass ich nun locker "hinab" zum Haldensee rollen kann. Dem ist irgendwie nicht so. Entlang des Warpsbaches, der zum Lech hin fließt, mutet es an, dass es bis Nesselwängle ganz leicht hinauf geht.
Und ab Haldensee fordert uns mächtig der Gegenwind.
Für Sonntag gut zu wissen: nach dem Gaichtpass kommt also noch was! Mental darauf einstellen!
Und ich habe dazu gelernt: Am Tag vor einem Radmarathon soll man nicht Wandern gehen. Wegen der Muskelgruppen und der Beanspruchung der Waden.
Statt dessen soll man locker eine kleine Runde mit dem Rad drehen.
Ok.
Mit Ulrike und Uwe aus dem Casa Ciclista-Team geht's gemütlich 30 km rund um Tannheim, bevor wir uns am Abend leckeres Rumpsteak (statt Kohlenhydrate, die sind für die Runde NACH dem Radmarathon vorgesehen) genehmigen. Dass wir uns danach noch bei einem guten Glas Rotwein mental auf die morgigen 85 km - bzw. 130 km, die Uwe fährt - vorbereiten - hilft beim Einschlafen ☺.
Und gleich geht's los!
Während die meisten aus unserem Team Casa Ciclista mit Marcel um 06.00 Uhr auf die 230 km-Runde starten (mit dem Riedbergpass, dem Hochtannpass und dem Gaichtpass!), geht der Rest vom Team auf die 130 km-Strecke.
Und ich opfere mich gerne und zeige Flagge mit dem Team-Trikot bei der 85 km-Runde 😉.
Auch wenn der ein oder andere despektierlich meint, es handele sich hier um eine "Kindergarten-Runde", so ist es doch am wichtigsten, dass sich jeder seine Ziele setzt und diese verfolgt.
Und für mich, die ich nicht wöchentlich oder gar täglich auf dem Rad sitzen kann, sind diese 85 km mit den knapp 700 Höhenmetern eine gute Herausforderung, die ich bei meinem ersten Radmarathon Tannheimer Tal schaffen möchte und auf die ich mich mächtig freue.
Wir starten um 07.00 Uhr für die 85 bzw. 130 km.
Und es freut mich ungemein, dass ich auch Nicole und Michael hier wieder treffe, mit denen ich im März in Katalonien ein tolles Radcamp mit Reimund Dietzen erleben konnte und die hier durch ihre Trikotwahl die Fahne für die VOR-TOUR-der-Hoffnung hochhalten - großartig!
Und endlich - es geht über die Startlinie!
Früh am morgen, bei Sonnenschein, durch wunderschöne Landschaften, mit tollen Menschen, Rad fahren - es tut einfach nur gut.
Ich schaffe es, dass ich immer wieder in einer Gruppe mitfahren kann, dass ich mit gezogen werde, Windschatten bekomme.
An der Verpflegungsstelle nach 54 km in Vorderhornbach treffe ich Nicole und Michael und überlege nur ganz, ganz kurz, weil es mir richtig gut geht, ob ich nicht mit ihnen die 130 km fahre. Aber: ich gehe auf Nummer sicher. Habe ich doch in meinem Radleben erst einmal annähernd 130 km geschafft - im Rahmen der VOR-TOUR der Hoffnung. Hier hatte ich einen ganzen Tag Zeit und -zig Stopps.
Also fahren Nicole und Michael kurz hinter Martinau rechts weiter, ich biege ab nach links und fahre - erst ziemlich alleine, bis ich mich wieder an eine 3-er-Gruppe hängen kann - durchs Lechtal zurück nach Weißenbach.
Obwohl es erst 09:35 Uhr ist, brennt die Sonne als ich den Gaichtpass hinauf fahre. Ich komme an den Haldensee, weiter nach Tannheim. Heute KEIN Gegenwind - yuchuu!
Kurz vor Tannheim, die nächste Gruppe, an die ich mich hängen kann und mit der ich schließlich auch ins Ziel komme!
Geschafft!
Happy!
Und als Ulrike kurz drauf ins Ziel kommt sind ihre ersten Worte: "Und nächstes Jahr fahren wir die 130 km!"
Ok. Läuft. Da bin ich dabei (siehe hier: Radmarathon Tannheimer Tal 2017).
Und ziemlich punktgenau um 15.00 Uhr führt Marcel das "Neun-Stunden-Team" der 230er-Strecke über die Ziellinie.
Super geniale Leistung! Klasse!
Glückwünsch - jedem, der, egal in welcher Zeit und auf welcher Strecke, diesen Radmarathon geschafft hat und gut wieder ins Ziel gekommen ist!
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Am folgenden Tag heißt es nun wirklich für mich: Abschied und Heimweg! Auf nach Hause. Nach kurzer Verpflegung und Proviantbesorgung für die Heimfahrt .......
.... fahre ich noch rasch auf's Neunerköpfle, um hier per Rundum-Blick Adieu zu sagen. Da ich ja weiß, dass ich nächstes Jahr - spätestens im Juli (ich liebäugele noch mit einem Besuch des Tannheimer Tales im Rahmen des Ballonfestivals im Januar) - zum 130er-Radmarathon mit Ulrike wieder hier sein möchte, fällt der Abschied nicht schwer, da die Vorfreude bereits jetzt überwiegt.
Und was ich dann auch machen möchte bei meinem nächsten Besuch: einen zweiten Tandem-Gleitschirmflug, denn ich bin in Südtirol letzte Woche ein wenig auf den Geschmack gekommen.
Hier vom Neunerköpfle ist der Absprunghang zwar sehr viel kürzer als am Vigiljoch - aber vielleicht wird's trotzdem gehen. Und wichtig wäre, dass das Wetter und die Sicht beim nächsten Mal etwas besser sind als bei meinem ersten Flug - um das Gleiten und die Ausblicke noch mehr genießen zu können.
Genial war's.
Tolle Begegnungen.
Tolle Menschen kennengelernt und getroffen.
Hat riesigen Spaß gemacht mit Euch allen!
Bis zum nächsten Mal!
Nachklapp!
Dezember 2016
Noch im Juli 2016 zu unserer gemeinsamen Zeit im Tannheimer Tal hoffte Hans-Peter Durst auf die Teilnahme an den Paralympics 2016 in Rio.
Keine zwei Monate später war Hans-Peter in Rio und ging für die deutschen Radsportler an den Start:
Am 14.09. zum Zeitfahren über 30 km in der Klasse C1/2 - hierbei legte er fast die gesamte Strecke ohne Sattel zurück. Dieser war ihm kurz nach dem Start abgefallen.
Und am 16.09. zum Straßenrennen über 30 km kam Hans-Peter nach 50:57 Minuten und mit nur drei Sekunden auf seinen Verfolger, den Briten Davis Stone, ins Ziel.
Und er hat es GESCHAFFT: Hans-Peter holte bei beiden Rennen die Goldmedaille!
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!
Ich hatte die Gelegenheit, Hans-Peter und Ulrike Durst wenige Wochen nach dem faszinierenden Erlebnis und Ergebnis in Brasilien im Rahmen des MünsterlandGiro 2016 wiederzusehen. Und ich durfte die zwei Goldmedaillen bestaunen und mich über das enorme Gewicht dieser wundern. Und mich einfach nur mitfreuen!
Ich denke, dass das Erlebte für Hans-Peter und seine Familie sehr nachhaltig ist. Und ich wünsche ihnen, dass sie sich dieses Gefühl, diese Emotionen noch sehr lange bewahren können.
Auch freue ich freu bereits jetzt schon, zum TannheimerTal-Radmarathon 2017 mit einem 2-maligen Goldmedaillen-Gewinner mit dem Rad durch die Gegend zu cruisen. Denn Ulrike und ich haben es uns fest vorgenommen: Wir starten auf den 130 km zum Radmarathon TannheimerTal 2017!
Tannheim 2017 - wir kommen!
Mehr Artikel zum Tannheimer Tal findet Ihr hier.
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Thomas krämer (Sonntag, 17 Juli 2016 21:53)
Liebe Anja,
ein toller Bericht über ein tollen Radmarathon. Auch wenn ich nach den 230km ziemlich fertig war, hat es trotzdem Spaß gemacht. Zumal dein authentischer Bericht hier noch mehr Lust auf ein weiteres Mal macht. Ich glaub nächstes Jahr bin ich wieder dabei. Du bringst soviel Nähe und Gefühl in deinen Bericht.
ulrike durst (Sonntag, 17 Juli 2016 22:15)
Liebe Anja,
Wie eine Liebeserklärung.....
Genauso habe ich es empfunden.
DANKE❗❗
Bei jeder meiner Ausfahrten habe ich schon überlegt, wo ich eine Verbesserung ansetzen kann.
Mario (Montag, 18 Juli 2016 20:25)
Liebe Anja ,
Ein super Bericht mit vielen tollen Fotos ,kann das ganze nur Bestätigen und freue mich auch auf nächstes Jahr den Tannheimer wieder zu fahren.
Christiane (Montag, 18 Juli 2016 20:51)
Hi,
das ist ein sehr schöner Bericht mit spitzen Fotos! Ich war im letzten Jahr mit Familie in Oberjoch im Urlaub und hatte mein Rennrad dabei. Die Gegend ist wirklich sehr schön zum fahren! Dein Artikel hat mir jetzt richtig Lust auf die 130 km Runde für 2017 gemacht...
LG Christiane
Uwe Lörgen (Dienstag, 19 Juli 2016 19:19)
Hallo Liebe Anja ,
Es ist wieder ein sehr gelungener Bericht , aber so kenne ich dich da . Ich kann mich nur den anderen anschließen , es war eine wunderbare zeit mit euch allen , vielleicht klappt es ja 2017 wieder in Tannheim .
LG uwe
Anja (Dienstag, 19 Juli 2016 22:30)
Lieber Thomas, liebe Ulrike, lieber Mario, liebe Christiane, lieber Uwe!
Danke für Euer Feedback!
Ich freu' mich, dass Ihr 2017 (auch wieder) mit am Start sein möchtet! Das wird ein Fest :-).
Und ich bin sicher, Thomas wird die 230 km super schaffen und Ulrike wird mich im Regen stehen lassen auf den 130 km.
Werde wohl meinen Trainingsplan (?) irgendwie ändern und anpassen müssen.
Euch allen noch eine gute Saison - wir sehen uns vielleicht beim Münsterlandgiro? Aber spätestens beim Radmarathon Tannheimer Tal 2017!
Liebe Grüße, Anja