Die rund 60km-lange Rundtour startet in der Burgstadt Kastellaun auf dem Schinderhannesradweg. Bereits nach ca 1 km mit leichter Steigung sind wir am Beller Bahnhof. Gräberfunde hier am Beller Bahnhof, wie das „berühmte“ Wagenrad von Bell, dessen Rekonstruktion im Haus der regionalen Geschichte auf der Unterburg in Kastellaun zu sehen ist, weisen auf eine frühe Keltensiedlung hin.
Hier verlassen wir bereits den Schinderhannesradweg und fahren weiter Richtung Tier- und Märchenpark. Auf dem Gelände vor dem Park findet alljährlich der Beller Markt statt, welcher auf einer jahrhundertelangen Tradition als Bauernmarkt und Viehhandelsplatz basiert. Bis heute ist der Beller Markt mit seiner Gastronomie, den Marktkaufleuten und den Schaustellern für die Hunsrücker - v.a. auch für die „weggezogenen“ Hunsrücker - und deren Gäste ein fester Termin im Juli, wo jeder jeden (wieder)trifft.
Aber auch erinnert diese Region/diese Gemeinden an die ehemalige Raketenstation der Nato auf der gegenüberliegenden Pydna und an „unseren“ Pfarrer August Dahl, der sich an der Spitze der Friedensbewegung gegen die Stationierung der 96 abschussbereiten Cruise Missiles Mitte der 80er einsetzte. Ich kann mich noch gut an die Ostermärsche und an die Demonstration im Herbst 1986 – mit 200.000 Menschen, mit dabei Hannes Wader und Udo Lindenberg – erinnern.
Seit 1996 findet nun auf dem Gelände der Pydna die Nature One statt – mit ca 60.000 Besuchern eines der größten europäischen Festivals der elektronischen Tanzmusik. Alle umliegenden Orte stellen sich ganz und gar auf diese drei/vier Tage und die Gäste ein. Im letzten Jahr regnete es fast die ganze Zeit, die Gummistiefel in der Umgebung waren gänzlich ausverkauft – aber der guten Stimmung der Festivalbesucher tat dieses Wetter absolut keinen Abbruch.
Zum Teil über Waldwege geht’s weiter über den Rothenberger Hof und Völkenroth auf die alte Hunsrückhöhenstraße Richtung Kappel. Hier wagen wir uns für ca 1 km auf die sonst vielbefahrene B327, um kurz hinter dem Tal des Bingerbachs links abzubiegen auf die wenig befahrene Kreisstraße Richtung Oberkostenz. Rehe am Straßenrand, die sich nur schwer durch unserer Rufe vertreiben lassen, bringen das Gespräch auf, ob wir schon von Radunfällen mit Rehen gehört haben und wie schwer diese Unfälle - für Mensch und Tier – wohl sein mögen. Die Rehe scheinen an diesem Morgen ebenso „raus zu wollen“ wie wir… es waren nicht die letzten, die unseren Weg auf dieser Tour kreuzen.
Durch Oberkostenz und Niederkostenz fahren wir durch’s Kyrbachtal.
Nach der Unterführung der B50, welche zum Flughafen Hahn führt, biegen wir links ab und schlängeln uns die 1,5 km Serpentinen rauf nach Kirchberg. In der „Stadt auf dem Berg“, der ältesten im Hunsrück, gönnen wir uns im mittelalterlichen Stadtzentrum vor dem Rathaus eine kurze Rast.
Die Altstadt von Kirchberg wird noch heute durchschnitten von dem Verlauf der schnurgeraden alten Römerstraße, die von Mainz/Bingen nach Trier führte.
Und der Vater des Erfinders des ersten Zweirades bzw. des Laufrades – der Draisine – war hier bis 1794 in Kirchberg letzter badischer Oberamtsmann: Karl Freiherr von Drais. U.a. seinem Sohn also haben wir unsere Bikes zu verdanken :).
Nach unserer kurzen Stärkung – durch das Stehen wird’s doch im April noch ungemütlich kalt – schwingen wir uns auf die Simmerner Straße.
Weiter Richtung Schönborn kommen wir schließlich über Oppertshausen nach Ravengiersburg. Der „Hunsrückdom“ ist schon länger ausgeschildert. Aber erst beim Verlassen des Waldes erhalten wir den Blick ins Simmertal und auf den Hunsrückdom, der sich auf dem Vorsprung eines Schieferfelsens mit seinen 42 m hohen fünfgeschossigen Türmen über Ravengiersburg erhebt.
Wir folgen der Hauptstraße durch diesen rund um die Klosterkirche eng bebauten malerischen Ort und erhaschen schließlich, nachdem wir den Hang des Simmertals wieder erklommen haben, einen Blick auf den markanten Idarkopf, bevor wir auf die Kreisstraße nach Sargenroth abbiegen.
Auf dem Friedhof der Nunkirche, die auf einer Anhöhe zwischen Simmerbachtal und Soonwald bei Sargenroth liegt, gibt es noch die Grab-Attrappen der Familie Simon aus dem Film „Heimat“ von Edgar Reitz.
Wer kennt sie nicht, die Geschichte aus den Hunsrückdörfern, die 1984 bei uns gedreht wurde?! Aktuell ist Heimat 4 geplant – dieser Film „Die andere Heimat“ wird dann von der Auswanderwanderungswelle der Hunsrücker nach Brasilien handeln. Hierfür wird ein Nachbarort, Gehlweiler, völlig umgekrempelt, damit es hier so aussieht wie im 19. Jahrhundert. Drehbeginn für diese vierte Staffel soll jetzt im April 2012 sein – ob die noch Statisten brauchen :) - ich wäre glatt dabei?!
Vorbei an der Jugendherberge in Sargenroth, der Nunkirche, dem 17,5 m hohen Bismarckturm und dem Höhenhof bei Holzbach (toll für Familien und Urlaub auf dem Bauernhof) führt uns unsere Radtour Richtung Riesweiler. Hier biegen wir links auf den Wirtschaftsweg ab, dem wir bis nach Simmern – vorbei am Freibad und dem Dschungeldorf – folgen.
Hier in der Kreisstadt Simmern, am 50. Breitengrad, biegen wir wieder auf den Schinderhannesradweg ab, den wir, dem Külztal folgend, bis Hasselbach nutzen. In Neuerkirch lohnt sich ein Abstecher zum historischen Ortskern mit dem kulturhistorischen Museum.
In Hasselbach verlassen wir den Schinderhannesradweg wieder, weil wir noch ein paar Höhenmeter absolvieren möchten und „klettern“ nach Spesenroth, fahren weiter über die Mönchstraße und dem parallel zur Traumschleife „Burgstadtpfad“ verlaufenden Waldweg, bis wir schließlich wieder in Kastellaun auf den Schinderhannesradweg stoßen.
Alles in Allem: 818 hm, knapp 60 km. Eine tolle Tour, Wetter hat super mitgespielt. Und es gibt viel zu sehen und schöne Geschichten entlang der Strecke.
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